Azerbaijan und ein bisschen weniger deutsch.

Liebe Meike,

vor einer guten Woche erreichte mich eine traurige Nachricht aus Deutschland. Ein schwerer Krankheitsfall in der Familie. Ein Schock, welcher mich aus meinem Strandparadies riss.

Abends in meinem Hotel versuchte ich Näheres über Skype zu erfahren. Jedoch ereilte mich ein WLAN-Ausfall. Auf der Suche nach Hotelpersonal irrte ich über ein verlassenes Hotelgelände. Es ist keine Saison. Eine komische Stimmung. Fast ein bisschen gruselig. Strömender Regen und niemand zu finden.

Eine Frau kam mir entgegen. Klein, untersetzt, mein Alter, bunte Hose, eine Seidenbluse und ein ausdrucksstarkes Gesicht mit großen, dunklen Augen. Delia. Auch sie war vergebens auf der Suche nach WLAN.

Wir fanden uns auf dem Boden unter dem Tisch des Security-Mannes wieder, versucht den Router selber neu zu starten. Dies erschien uns als eine zielführendere Lösung nachdem wir feststellen, dass niemand aufzutreiben war, und der Security Mann kein Wort englisch sprach.

„Und was führt dich nach Sri Lanka?“ wollte Delia wissen. Ich musste lachen. Eine gute Frage. Und eine lange Geschichte. Sie entgegnete, dass diese nicht länger, bzw. verrückter als ihre sein könnte. Da saßen wir nun auf allen Vieren im Pförtnerhäuschen, während draußen die Welt bei Regen unterging. Eine absurde Situation.

Delia ist eine erfolgreiche Innenarchitektin aus Azerbaijan (ehrlich gesagt, musste ich erst mal auf der Karte nachschauen, wo zum Teufel Azerbaijan liegt). Sie hat ein eigenes Büro mit fünf Angestellten, ist die Ehefrau eines jungen Studenten aus Istanbul, und Mutter eines dreijährigen Sohnes. Ihre Geschichte in kurz: Sie war mit ihrer Familie im Urlaub, irgendwo in den Bergen, bekam eines Abends, während eines Wutanfalls ihres Sohnes, eine Panikattacke. Sie erzählte, sie sei überfordert gewesen, das Büro, die finanzielle Verantwortung für ihren Mann und ihre Familie. Und mit dem zweiten Kind ungeplant schwanger, was sie kurz zuvor erfahren hatte. Am selbigen Abend der Attacke bekam sie eine Anfrage aus Sri Lanka. Eine russische Psychologin, Frau eines Diplomaten, möchte ihr neues Appartement auf Sri Lanka einrichten lassen. Delia fasste einen Entschluss, ließ Mann und Kind im Urlaub stehen und setzte sich am nächsten Tag ins Flugzeug.

„Und wie geht es dir jetzt?“ wollte ich wissen. „Schlecht“ sagte sie unter Tränen „aber Sri Lanka war der beste Entschluss seit Langem. Hier kann ich mal durchatmen.“ Wir entschieden uns dazu noch gemeinsam einen Tee in der Lounge zu trinken. Ich erzählte ihr von meinen letzten Monaten, die lange Planung meiner Reise, meinem Armbruch in San Francisco, meine Zeit nach der OP, mein erneuter Aufbruch und nun die schlechte Nachricht aus Deutschland. War ich doch hin und hergerissen. Soll ich zurück nach Deutschland? Aber ich hatte doch meine Weltreise gerade erst wieder fortgesetzt. Ich war unruhig. War mit den Gedanken in Deutschland, machte mir Sorgen und hatte Zweifel, ob ich meine Reise so fortsetzen könnte.

„Sei mal ein bisschen weniger deutsch.“ Irritierte schaute ich Delia an. „Versuche nicht krampfhaft an deinem Plan festzuhalten. Immer müsst ihr Deutschen alles organisieren und planen. Und warum eigentlich „Weltreise“. Nenne es einfach Reise. Deine Reise. Nimm die Dinge an wie sie kommen. Verschwende keine Energie damit an etwas festzuhalten, was gerade nicht sein soll.“ Sie hatte Recht. Ich sollte auf mein Bauchgefühl hören und nicht meiner geplanten Route folgen. Ich wollte in Deutschland sein. Ein mal den Entschluss gefasst und es ging mir schlagartig besser.

Der Skype-Klingelton ertönte durch mein Hotelzimmer. „Papa, ich komme.“ Erleichterung am anderen Ende.

Und hier sitze ich nun. In einem Café um die Ecke des Krankenhauses in Berlin. Es fühlt sich richtig an hier zu sein. Ich weiß nicht wie lange das Gefühl anhalten wird. Und vielleicht reise ich in den nächsten Wochen irgendwann wieder weiter (schließlich sind aller guten Dinge drei ;-)). Aber ich weiß, dass ich nicht planen werde. Ich lasse die nächsten Wochen auf mich zukommen.

Ich umarme dich.

Deine Katha

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