Schicht um Schicht.

Liebe Katharina,

manchmal fühlt es sich im Leben so an, als ob man sich häuten müsste. Schicht für Schicht trägt man ab, in der Hoffnung, endlich an den eigenen Kern zu gelangen.

Ewig hatte man das Gefühl ein Meer aus Zeit zu haben, für alles. Zum Ankommen, Hinsehen, auf den Gipfel stürmen, all die Abgründe durchschreiten, um sie dann zu kennen, für die Wahrhaftigkeit, oder was man dafür eben hält… Man flattert durch die Jahre und irgendwann merkt man, dass das Meer aus Zeit immer mehr zum Tümpel wird und man immer noch nicht alle Schichten durchdrungen hat. Und das es Zeit wird. Zeit, der Mensch zu werden, der man ist. Irgendwie. Nicht mehr darüber nachdenken, welchen Erwartungen man entsprechen müsste. Nicht mehr im vorauseilendem Gehorsam Entscheidungen treffen, die vielleicht für die Umgebung bequem sind, einem selbst aber jeden Tag ein bisschen mehr die Luft zum atmen nehmen. Nicht mehr so oft lächeln, obwohl einem nicht danach ist. Erstmal in sich reinhören, um zu gucken, was der Bauch einem sagt, bevor man sich selbst im blinden Aktionismus über den Haufen rennt.

Es ist erstaunlich, wie schwer das einem fällt. Daran merkt man, wie wenig man bisher auf sich geachtet hat oder wie oft man immer erst das Außen bedient hat, bevor man sich mal selbst zuhörte. Was will ICH denn von dieser Situation? Was wünsche ICH mir denn von meinem Gegenüber? Was fehlt MIR denn? Bin ICH denn glücklich damit, wie mein Leben läuft? Und all das führt einen dann zu der Hirn verbrutzelnden Frage: Und wer bin ICH denn überhaupt?! Es wird Zeit, diese Bekanntschaft zu machen, sonst ist es vielleicht für vieles zu spät.

Und das hat wahrlich rein gar nichts mit Egoismus zu tun. Im Gegenteil: Erst wenn man selbst weiß, wo man steht und was man möchte, kann man auch die Menschen um sich herum ernst nehmen. Ist es nicht fast eine Art Entmündigung, wenn man gehetzt immer erst den Entertainment-Motor anwirft und versucht, es (fast) allen Recht zu machen, als dass man seine Umgebung damit konfrontiert, wie es wirklich in einem aussieht? Wie soll man das für sich passende Setting schaffen, wenn man sich so verbiegt, dass man nicht die Menschen um sich schart, die einen weiter wachsen lassen? Man kann nur wachsen, wenn man ehrlich ist zu sich selbst. In manchen Phasen ist das nicht leicht oder sogar scheinbar unmöglich, aber das ist okay. Fuß vor Fuß setzen, bis der Nebel sich lichtet.

Oft hört man von allen Seiten, dass man endlich herausfinden soll, was man will. Das klingt danach, machbar zu sein. Ein bisschen klingt es nach „Reiß dich zusammen“. Als ob man sich dagegen sträubt und alle Antworten doch schon lange vor einem auf dem Tisch liegen. Und jeder weiß genau, was da liegt. Nur man selbst, das unwillige Ding, kommt einfach nicht klar.

Aber das Eine geht eben nicht ohne das Andere. Nur, wenn man sich selbst wieder im Fokus hat, kann man Entscheidungen treffen, die gut für einen sind. Kann man Bilanz ziehen und verhindern, vorschnell auszubrechen oder zu handeln.

Jetzt ist der Herbst da und damit die Zeit, genau diesen Fokus wieder zu erlangen. Der Sommer war ein bisschen wie eine Brandrodung, innen und außen, und jetzt ist es Zeit, mal über das verkohlte Stoppelfeld zu laufen und nachzusehen, was noch da ist und was überlebt hat… 😉

Ich umarme Dich,

Meike

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