Müde sein gilt nicht.

Liebe Katha,

ich habe mir eine Unart angeeignet, die sich leider über die letzten Jahre immer mehr eingeschliffen hat und von der ich nur schwer lassen kann: Direkt nach dem Aufwachen greife ich zu meinem Handy und lese mich einmal quer durch das Internet. Diverse Tageszeitungen, einige Blogs, Nachrichten-Plattformen, Insta-Kanäle und natürliche alle privaten und beruflichen Nachrichten, die auf sämtlichen Kanälen so aufgelaufen sind.

Manches inspiriert mich davon, vieles freut mich oder informiert mich ganz einfach. Aber da gibt es eben auch die Vielzahl der Nachrichten, die einen fertig machen. Es gibt so Tage, da habe ich das Gefühl, dass ich zu durchlässig bin und alles einfach ungefiltert in mich hinein sickert und dann in meinem Kopf und meinem Herz sein Unwesen treibt. Dann wird es mir zuviel.

Zum Beispiel die Tatsache, dass irgendeine Drecks-Luxus-Karre irgendwo vorgestellt wird und die Menschen, die bereit sind, 300.000 Euro für eine quietsch-gelbe Hässlichkeit auszugeben, auf den Fotos mir ihre Stumpfheit in den Morgen kotzen. Presswürste in überteuerten Pailletten-Schläuchen, dazu blasierte Blicke aus künstlichen Gesichtern und die Frage, die sich mir aufdrängt: Warum?! Warum haben diese Menschen so viel Kohle, wenn sie doch nur unnötigen Mist damit machen? Oder die Nachricht, dass in vielen Gewässern multiresistente Keime gefunden wurden, gegen die kein Antibiotikum mehr wirken wird. Bevorzugt in der Nähe von großen Mastbetrieben. Aber nein… hat natürlich nichts damit zu tun, dass in diesen Ställen Antibiotikum wie Kamelle unter die Tiere gejubelt wird… Es wird zu spät sein, wenn wir alle daran verrecken. Kommentare unter  Artikeln versuche ich schon seit geraumer Zeit nicht mehr zu lesen. Es schaudert mich, wie viel Hass und Dummheit grassiert. Wie viele Menschen sich persönlich bedroht fühlen, weil jemand ein bisschen anders ist als sie. Die Liste dieser Meldungen und Tatsachen kann man endlos weiterführen.

Ich bin ein positiver Mensch. Ich liebe das Leben und auch diese verrückte und wunderschöne Welt, in der wir leben. Erstmal versuche ich zumindest allen Menschen Respekt und Interesse entgegen zu bringen. Ich möchte freundlich sein und auf andere achten. Aber an manchen Tagen fällt es mir schwer. Dann spüre ich, wie Traurigkeit, Ohnmacht, Wut und Angst über mich schwappen. Ich gar nicht mehr aufstehen will, weil ich nicht mehr weiß, wofür. Das klingt alles vielleicht pathetisch und pubertär nach Weltschmerz, aber all diese großen und kleinen Dinge summieren sich und wickeln einen so fest ein, dass man nicht mehr Atem holen kann. Und dann graut mir nur noch vor der Zukunft, in der es keine Bienen mehr geben wird und unser Grundwasser von Großkonzernen verwaltet wird, genau wie unser Saatgut. In einer Zukunft, in der Heidi Klum als niemals alternder Zombie in der tausendsten Staffel GNT, immer noch junge Mädchen zu gut funktionierenden Klischee-Männer-Phantasien kreischt. Dann bin ich so unendlich müde.

Ich kenne einige Menschen aus meinem Umfeld, die aufgehört haben, Nachrichten zu gucken oder Zeitung zu lesen, weil es einen so verseucht. Ich habe auch darüber nachgedacht, ob es ein Weg ist, einfach zu versuchen, seine eigene kleine Welt mit Verantwortung und Liebe zu füllen. Und ja: Wenn das jeder tun würde, wäre die Welt bestimmt ein besserer Ort. Aber davon sind wir noch weit entfernt. Und ich glaube, es kann gefährlich sein, wenn sich jeder Mensch Biedermeier-artig nur noch auf seinen eigenen Elfenbeinturm bezieht. Ich möchte mitbekommen, was passiert. Ich glaube weiter daran, dass wir unsere Welt aktiv gestalten müssen.  Rausgehen, sich engagieren, zuhören, wach bleiben, Fragen stellen, unbequem sein und auch bei sich anfangen. Und wenn es nur kleine Schritte sind.

Also stehe ich lieber mal auf. Müde sein gilt nicht.

In diesem Sinne,

Deine Meike

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