#Sorry
Liebe Katha,
vielleicht liegt es an den immer kürzer werdenden Tagen, dass man hier und da etwas nachdenklicher wird. Vielleicht hat man auch einfach nur mehr Zeit für gedankliche Fingerübungen, weil man nicht mehr jeden Tag von der Sonne in den Park, an den See oder in den Biergarten getrieben wird…
Trotzdem fragt man sich, wo das alles noch enden soll, wenn erst mal die verkackten Adventskerzen das alles illuminieren und der Glühwein einem das Hirn verklebt?! Die richtig schlimmen Tage kommen also noch. Obacht! 😉
Ich habe in letzter Zeit von verschiedenen Leuten zu unterschiedlichen Gelegenheiten immer wieder gehört, dass irgendwer, irgendetwas nicht vergessen kann. Dass man dieses oder jenes niemals verzeiht. Zu sehr verletzt. Zu schrecklich hintergangen. Oder man den Kontakt zu XY abgebrochen hat, weil man unmöglich entschuldigen kann, was passiert ist.
Aber ist diese Endgültigkeit wirklich immer der einzige Weg?!
Ja, es gibt auf jeden Fall Dinge, die sehr weh tun und die vielleicht auch zunächst unverzeihlich sind. Und man muss ja auch immer unterscheiden, was denn nun vorgefallen ist. Jeder hat ein Anrecht auf seinen Schmerz. Und das meine ich ausnahmsweise nicht ironisch.
Es geht mehr um die „alltäglichen“ Kränkungen oder Schmähungen, beziehungsweise darum, dass man immer wieder mitbekommt, wie viele Tonnen Altlasten Menschen mit sich herum tragen.
Da hasst man mit so viel Verve die Ex, klagt voll altem Schmerz die Eltern an, regt sich über den ehemaligen Vorgesetzten auf und den verräterischen Ex-Besten-Freund. Da schwelen Wunden, die Jahre alt sind. Und fressen Energie, wie tausend hungrige, kleine Vampire. Und streuen Negativität in den Bauch, bis die Magengeschwüre wuchern.
Manchmal ist es auch gar nicht so offensichtliche Wut. Manchmal ist es auch Bitterkeit, die hart und grau macht.
Ich will nicht aberkennen, dass jemandem Schlimmes widerfahren ist oder man auch oft objektiv jeden Grund hat, verletzt zu sein. Aber man sollte vielleicht unterscheiden und überprüfen, ob es nicht manchmal doch noch einen anderen Weg gibt. Irgendwie bestraft man sich mit dem ganzen Scheiß doch meistens selbst, oder?! Und manchmal muss man vielleicht eine Entscheidung gegen diesen Groll und für sich treffen.
Ich hab mal gelesen, dass „Vergebung ist, wenn man die Hoffnung aufgibt, dass die Vergangenheit sich ändert“. Und das finde ich sehr weise. Ich weiß leider nicht mehr, wer das von sich gegeben hat. Im Zweifel hab ich es im Winter gelesen und hatte schon den ein oder anderen Glühwein intus…
Aber genau das ist es doch: Man kann Geschehenes nicht ändern, aber man kann vielleicht begreifen, dass man es nur selbst ist, der die ganze Zeit den schweren Rucksack voller Wut weiter trägt.
Ich habe für mich die Erfahrung gemacht, dass es unfassbar befreit, wenn man verzeiht. Wenn man sich ganz bewusst entscheidet, eher die positiven Aspekte gelten zu lassen und die besseren Stunden zu zählen. Und das heißt nicht, dass man den ganzen Scheiß verdrängen und vergessen soll, der da am Start war. Aber nach einer gewissen Zeit sich vielleicht mal einen Ruck geben und dann sagen: „Schwamm drüber“ und weiter im Text. Entweder nur für sich oder sogar auch ganz aktiv. So dass man Menschen wieder einen Platz einräumt, obwohl sie diesen nach „gesellschaftlich-anerkannten-Telenovela-Gut-Und-Böse-Regeln“ gar nicht verdient hätten. Und ich wurde bisher eigentlich immer dafür belohnt. Mit Freundschaft. Mit Loyalität. Mit Spaß und guter Zeit. Mit mehr Luft im eigenen Herz und im Kopf. Und ich weiß auch, wie es sich anfühlt, wenn man mal selbst großzügig verziehen bekommt. Das ist ein Geschenk, welches man nicht mehr verspielen möchte.
Also: Lass´uns mehr verzeihen! Uns selbst, den anderen oder einfach der Tatsache, dass das Leben uns auch oft einen Teller Mist serviert und wir nichts daran ändern können.
Darauf bald den ein oder anderen Glühwein.
Deine Meike