Walzer mit mir*

Liebe Katha,

es freut mich, dass Du Sonne tankst, Abenteuer erlebst und durch die Welt jettest. Manchmal habe ich ein bisschen Angst, dass Du ein wenig atemlos bist und versuchst, so viel wie möglich in die verbleibende Zeit zu packen. Das kann ich gut verstehen, angesichts all der Länder und Möglichkeiten, die auf Dich warten. Aber vielleicht hast Du jetzt bei Deinem nächsten Stop Thailand auch endlich Ruhe, um alles Erlebte zu verarbeiten und ein wenig zu Dir zu reisen. Ich erinnere mich daran, dass ich als Kind immer maßlos fasziniert davon war, dass Indianer sich nach einem langen Ritt erstmal auf den Boden legen, damit die Seele Zeit hat nachzukommen. Was für ein schöner Gedanke.

Um zur Ruhe zu kommen ist das gemächliche Wien genau richtig. Dort war ich gerade vier Tage und schwelgte in Kunst, Kultur und gutem Essen. In der Phase vorher habe ich viel gearbeitet, wieder mit mehreren Projekten gleichzeitig jongliert und auch privat tausend Sachen gemacht und geregelt und gar nicht so richtig bemerkt, wie mein Stress-Level immer höher und höher stieg.

Erst in Wien spürte ich plötzlich, dass ich wieder auf Hochtouren durch meinen Alltag sauste und wie erschöpft ich eigentlich bin. Am ersten Tag war ich ein wenig aus der Bahn geworfen, weil ich gar nicht mehr wusste, wie sich das anfühlt, wenn man einfach mal nichts erledigen muss. Endlich war mal wieder Zeit für zielloses Herumschlendern, Ausstellungen besuchen,  in Kaffeehäusern die Zeit vertändeln und den lieben Gott einen guten Mann sein lassen. Oder das Universum eine gute Frau. Wie man will.

Müßiggang, der Quell jeder Kreativität und neuer Ideen. Wann verlernt man das, Katha? Wenn ich mir angucke, wie schon Kinder ohne Unterlass bespaßt und beschäftigt werden, wird mir ganz anders. Wo ist die gute, alte Langeweile geblieben? Das einfach mal Nichts-Tun ist nicht mehr in Mode, was?! Dabei gibt es doch nichts Schöneres, als seinen Gedanken nachzuhängen, den Blick ins Leere zu verlieren und mal zu schauen, was so in einem passiert. Manchmal vielleicht auch nix. Aber das ist ja auch nicht schlimm.

Vielleicht haben wir manchmal sogar Angst davor, was da so in einem hoch kommen könnte, wenn man mal die Zügel locker lässt. Wenn man nicht mehr über alle Gefühle, Ideen und Träume drüber hetzt und sie in die letzte Ecke verscheucht. Dass sie uns auch ja nicht in die Quere kommen, während wir weiter knallhart Leistung bringen. Mit der Peitsche in der Hand zum nächsten Programmpunkt.

Mir ist mit Schrecken aufgefallen, dass sich das nicht nur auf den Job-Alltag bezieht, nein! Egal wann, man verlangt sich alles ab und urteilt hart: Es nur zwei Mal diese Woche zum Sport geschafft? Geht gar nicht! Neben der Maloche nicht noch drei Verabredungen mit Freunden eingehalten? Wie sozial inkompetent man doch ist! Die Wohnung weist Spuren von Unordnung auf? Messie! Noch keine Plätzchen gebacken? Man bekommt einfach nichts auf die Reihe!

Nie würde man so mit einem Menschen reden oder umgehen, der einem am Herzen liegt. Aber warum dann mit uns selbst? Liegen wir uns nicht am Herzen?

Das ist doch verrückt. Deswegen habe ich in Wien für mich beschlossen, den Dezember für mich ganz plakativ als den Monat der Selbstliebe und der Selbstfürsorge auszurufen. So! Sich einfach mal um sich selbst kümmern und den Druck raus nehmen. Es sich gemütlich machen, nicht immer gleich innerlich los schimpfen, wenn mal etwas nicht nach Plan läuft. Weniger arbeiten und hoffen, dass nach drei Stunden auf dem Sofa in der Nase bohren, das System mal wieder runterfährt. Nicht sofort die nächste Netflix-Serie anwerfen, wenn man mal ne Stunde Luft hat. Mal nicht, wenn man zum Yoga will, sich durch 90 Minuten Ashtanga prügeln, sondern mal ganz bewusst eine softe Einheit wählen. So, als wenn man eine liebe Freundin zu Besuch hätte und ihr eine gute Zeit bereiten will. Die gute Freundin bin ich im Dezember selbst. Mal sehen, wie wir uns so verstehen 😉

Und zum Abschluss noch meine Wien-Tipps für Dich, wenn Du das nächste Mal dort bist:

  • Café Hawelka: Da ist die Zeit stehengeblieben und der Kaffee ist Bombe!
  • Albertina: Kopf auf, Kunst rein. Bemerken, wie die Seele sich freut.
  • Bräuner Hof: Wieder ne Zeitmaschine. Super Gestalten, super Kellner, Wiener Schmäh.
  • Schloss Schönbrunn: Voll auf Touri mit dem Audio-Guide durch das Schloss und hören, wie Sissy so drauf war.
  • Während des gesamten Aufenthalts Quatsch-Wienerisch sprechen. Am Ende denkt man, man könnte es…
  • Tian: Vegetarisch-veganes Essen auf höchstem Niveau. Abends bedeutet das, dass man etwas tiefer in die Tasche greift, was sich aber unbedingt lohnt!! Es war grandios. Aber mittags gibt es dort wohl auch einen Lunch, der dann bezahlbarer ist.
  • „Walzer für niemand“ hören von Sophie Hunger. Passt thematisch nicht, ist aber ein so wunderschönes Lied, dass es sich überall lohnt, es zu hören. Sieh´es als Fun-Fact.

Grüße mir die Wärme und pass auf Dich auf,

Deine Meike

 

 

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