Es lebe das Klischee.

Liebe Katha,

manchmal, wenn ich uns so betrachte, fällt mir mit einem lachenden und einem weinenden Auge auf, was wir doch zeitweise für wandelnde Großstadt-Klischees sind. Wann genau ist das passiert, dass man sich wie eine Persiflage seiner selbst aufführt?

Der Großteil meines Freundeskreises kann sich davon wohl nicht frei sprechen, aber wer weiß?! Vielleicht sucht man sich auch hier wieder nur, was zu einem passt und man hält seinen urbanen Elfenbeinturm sauber. Da trifft man sich fein fast jeden Mittag mit anderen Freelancern zum „Lunch“ in hippen Cafés, tippt noch hurtig ein paar wichtige Mails in sein MacBook Air, isst dann seinen Quinoa-Avocado-sonst-was-Salat oder seine Buddha-Bowl und schlürft wahlweise eine Bio-Ingwer-Limo oder seinen Matcha-Tee. Auf einmal hört man sich Sachen sagen wie „Du, wir müssen unbedingt mal wieder zum Hot-Yoga“ und „Bali ist sowas von überlaufen, geht eigentlich gar nicht mehr.“ und bemerkt es kaum mehr. Kotz-Würg. Da man die Mitte zwanzig weit überschritten hat, mischen sich zu den Gesprächen über Gästelisten-Plätze für die Partys am Wochenende, auch noch die Tipps für die besten Osteopathen und Meditationstechniken. Man wackelt zwischen Meeting A und B mit dem Handy am Ohr zum Wein-Laden („Bitte nur Bio, sonst machen mich die Histamine fertig!“) und lädt dazwischen noch den neuen Post auf Insta hoch. Wer kann welchen Therapeut empfehlen und wie lange geht diese tolle Vernissage doch noch gleich?! Puh 😉

Aber auch hier muss man wohl differenzieren: So geballt, wie hier dargestellt, ist es ja gar nicht. Dazwischen haben auch wir noch Momente der Klarheit, sind ganz normal und gewohnt bescheuert. Und man ist ja auch – ob man will oder nicht- ein Kind seiner Zeit und auch seiner Umgebung. Wenn wir in einem Eifel-Dorf wohnen würden, wäre unsere Realität eine andere, aber dann sind es wahrscheinlich andere Klischees, die man erfüllen würde. Ich liebe es, in der Stadt zu leben, auch wenn es Phasen gibt, in denen ich mich nach mehr Ruhe sehne und davon träume, ein Leben ohne Überangebot in ländlicher Idylle zu führen. Aber wenn ich ehrlich bin, vermute ich, dass ich auch dort auf die Dauer nicht klar kommen würde. Zu sehr mag ich es, aus so vielen Restaurants wählen zu können, ins Theater zu gehen, meinen Kiosk-Mensch, meine Nachbarn, mein Yoga-Studio, meine Lieblingsbars, die Museen und die Clubs. Und natürlich: Meine Freunde. Erst die machen diesen Ort zu meinem Zuhause.

Vielleicht sollte man nur nicht vergessen, sich immer mal wieder vor Augen zu führen, wie gut man es hat. Dass man quasi die Muße hat, sich fast gänzlich mit First-World-Problems zu beschäftigen und man darauf achten sollte, nicht abzudriften in pure Oberflächlichkeit. Immer weiter seinen Horizont erweitern und nicht ausschließlich um sich selbst kreisen. Sich vor der flirrenden Stadt auch mal verabschieden und raus fahren, auf’s Land, in die Natur, zur Ruhe kommen. Und vor allem: Über sich selbst lachen und nicht zu ernst nehmen bei all dem Scheiß.

Darauf erstmal ’nen Fairtrade-Soja-Latte.

Deine Meike

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