Ohrfeigen und Esel-Höfe

Liebe Katha,

es gibt ja so Sachen, die einem immer mal wieder begegnen. Und die einen nerven. Auch immer mal wieder. Und eine davon ist mir letztes Wochenende wieder mal untergekommen. Eine, die mir, deutlich gesagt, hart auf den Sack geht.

Da steht man so auf einer Party, die gerade im Begriff ist, langsam Fahrt auf zu nehmen. Man schwatzt, nippt an seinem Gin Tonic und alle führen sich noch manierlich auf. Man ahnt noch nicht, dass man viele Stunden später im Morgengrauen, leicht derangiert, zu der Gruppe gehört, die noch eine Silvester-Rakete an der Straßenkreuzung zündet (Wo kam die her, verdammt?!). Und man im Mittelteil der Party zu Danzig pogte. Aber naja. Das sind jetzt andere Geschichten.

Wieder zur Sache: Immer wieder, egal ob auf Partys, bei Geburtstagen, beim Brunch oder beim Sport, kommt die Sprache darauf, was wer denn so beruflich macht. Immer da, wo Menschen beisammen sitzen, die sich jetzt nicht schon so lange kennen, dass sie in der Morgendämmerung gemeinsam Silvester-Raketen  zünden. Ist ja auch nichts Schlimmes und auch interessant. Harmlos, eigentlich, oder?! Und dann zählen alle munter auf, womit sie so ihre Kohle verdienen. Die Floristen, die Bauzeichner, die Immobilienmakler, die Fitnesstrainer und die Landschaftsarchitekten. Und was sie sonst alle so machen mögen. Nur ich versuche schon krampfhaft, das Thema in eine andere Richtung zu lenken, bevor ich an der Reihe der lustigen Frage-Runde bin. Denn ich weiß, worauf es unweigerlich hinaus läuft.

Denn ich arbeite beim Fernsehen.

Das ist meiner Meinung nach ein Job wie die anderen auch. Das ist nicht ultra cool, das ist aber auch nicht total beschissen. Das hat Vorteile und Nachteile. Da ist viel im Argen in der Branche, aber auch vieles, was Spaß macht. Und man verdient seinen Lebensunterhalt damit. Punkt. Aber eben nicht in den lustigen Frage-Runden. Da wird sofort weiter gebohrt und fröhlich beurteilt.

„TV?! Ach so. Arbeiten da nicht nur zugekokste Wichtigtuer? Sind das nicht alles Leute, die nichts können?! Wie kann man nur solche Formate machen?! Ach, DU bist eine von denen, die die Menschheit verblödet?! Also ich hab ja schon lange keinen Fernseher mehr. Diese ganze Unterschichten-Unterhaltung ist doch schrecklich. Aber warum hast du denn dann studiert?! Also dass so eine intelligente Frau wie du SOWAS macht, finde ich ja krass.“

Und das ist nur ein kurzer Auszug der facettenreichen Kommentare. All meine Fernseh-Kollegen werden wissen, wovon ich spreche, denn alle finden sich immer auf der Anklagebank wieder.

Klar, ich hab nicht geplant zum Fernsehen zu gehen. Das planen nur echt seltsame Leute, die dann „Irgendwas mit Medien“ machen wollen. Ich hab auch nicht studiert, um jetzt fürs Fernsehen zu schreiben. Und oft nervt einen der ganze Zirkus auch gehörig. Und auch ich habe Phasen, an denen ich darüber nachdenke, einen Gnadenhof für Esel in Mecklenburg-Vorpommern zu eröffnen. Oder ein veganes Hostel in Costa Rica (DIE Idee ist noch nicht aus dem Rennen!). Aber wer hat solche Tage nicht?! Ich habe zumindest das Glück, kreativ arbeiten zu können und dabei auch viel Quatsch mit Sauce zu verzapfen. Und wer mich kennt, weiß, dass mir auch das ganz gut liegt… Und ich habe in meiner beruflichen Laufbahn viele Menschen kennengelernt, die ich jetzt zu meinen besten Freunden zähle. Weil beim Fernsehen auch viele Freaks stranden und die liegen mir ebenfalls. Und zu guter Letzt verdient man auch nicht total beschissen. Und das ist ja auch ein Faktor, der darüber entscheidet, ob mein Kühlschrank voll ist und meine Miete bezahlt. Ich weiß nicht, ob ich das ausschließlich und ewig mache, aber wer weiß das schon in der heutigen Zeit?!

Aber was mich am meisten daran aufregt: Was machen denn die Pappnasen, die sich dann auf einmal als Hüter unserer Hochkultur aufführen?! Ist ein Job bei einer Versicherung moralisch integer? Oder der BWLer bei Nestlé?!  Oder die PR-Trulla, die Pressmitteilungen ins Reine tippt?! Oder die Unternehmensberaterin? Operiert der Veranstaltungstechniker am offenen Kinderherzen Tag für Tag? Oder opfert der Mediengestalter seine Arbeitsstunden ehrenamtlich für die Werbearbeit von Ärzte ohne Grenzen?! Ich glaube eher nicht. Aber so bald man das böse Wort „Fernsehen“ hört, darf man ungefragt beurteilen, bewerten und unverschämt werden. Nur meiner guten Kinderstube ist es zu verdanken, dass ich noch keine Ohrfeigen verteilt habe. Denn Vieles ist wirklich dreist und kommt noch dazu von Menschen, die einen gar nicht kennen und auch keine Ahnung haben, was und wie und für wen man arbeitet.

All diese Leute, die auf einmal total viel Ahnung davon haben, wie Unterhaltung funktioniert, ziehen sich dann nach ihrem Arbeitstag bei der Bank XY abends auf ihrer Porta-Couch Mario Barth rein und kichern selig (Mario Barth würde ich übrigens NIE machen, aber das nur am Rande…).

Echt, ey.

Ich beschließe jetzt, mich nicht mehr zu rechtfertigen. Über die Ohrfeigen denke ich vielleicht nochmal nach. Und wo wir gerade dabei sind: Über den Eselhof auch.

Ich umarme Dich und lade Dich hiermit schon mal zu meinen Eseln ein.

 

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