Glamour sieht anders aus als ich.

Liebe Katha,

ich habe gerade in meinen Kalender geschaut und mit Freude festgestellt, dass es nur noch knapp sieben Wochen sind, bis ich in San Francisco lande, um Dich auf Deiner Reise zu treffen. Sieben Wochen sind ja quasi nix. Wenn ich mir das November-Wetter da draußen angucke, sind sieben Wochen allerdings auch noch zu lang. Was würde ich darum geben, jetzt schon mit Dir unter kalifornischer Sonne am Weißwein zu nippen?! Aber Geduld ist ja bekanntlich eine Tugend. Und da mein Konto sich leider nicht von alleine immer wieder auffüllt, werde ich auch jeden einzelnen Tag dieser sieben Wochen benötigen, um zu arbeiten. Selbst und ständig, wie es so schön heißt. Aber man weiß ja, wofür man es tut.

Fraglich ist nicht der Job, wie ich Dir ja schon erörtert habe, sondern eventuell nur meine, naja, äh… „Business-Garderobe“. Du kennst dieses Problem wahrscheinlich nicht, denn Du musst ja meistens sogar mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit fahren, aber bei mir liegt die Sache anders. Meine „Arbeit“ liegt nur wenige Meter von meinem Bett entfernt. Und zu tun gibt es mehr als genug und da ist es oft verlockend, sich gleich morgens bequem im Jogger an den Rechner zu setzen. Eine Tasse heißen Tee in der Hand und nur mal eben die wichtigsten Mails checken und diese eine Sache fertig schreiben…

Ja. Denkste.

Plötzlich guckt man auf die Uhr, es ist wie von Geisterhand auf einmal nachmittag und man hat immer noch zum Dutt hoch gedödelte, zerzauste Haare, die ausgebeulte Jogging-Buchse und das Sweatshirt mit dem Schoko-Fleck darauf an. Dann bekommt man Schnappatmung, weil es gerade an der Tür klingelt und man nicht mal den DHL-Boten mit der eigenen Optik zu Tode erschrecken will. Ich frage mich, was ich mal mache, wenn’s brennt?! Erst noch kurz in die Maske, um ein bisschen Rouge aufzutragen?! Ich hoffe nicht.

So diszipliniert und organisiert ich in meinem restlichen Leben auch bin: Das bekomme ich einfach als Freiberuflerin nicht geregelt. Aufstehen, anziehen, fertig machen (zumindest so, dass man wenigstens ohne Scham die Drehleiter der Feuerwehr besteigen könnte…). DANN arbeiten. Kann das denn so schwer sein?! Ich frage mich, ob es anderen Homeoffice-Menschen auch so geht oder ob ich alleine immer aussehen, wie das Bademantel-Monster?! Glaubt man einschlägigen Instagram-Kanälen (denen man grundsätzlich nie glauben sollte, außer man hat Sehnsucht nach einer ausgewachsenen Depression), tragen alle Freiberuflerinnen zuhause bei der Arbeit immer kuschelig weiche Pullis, zu leicht gebräunten NACKTEN Beinen (wieviel heizen die in ihren Buden bitte?!) und einen perfekt geschäumten Milchkaffee in der manikürten Pfote. Pah.

Gerade bemerke ich, dass es Mittag ist. Gute Zeit, um sich mal mit der Wimperntusche zu bewaffnen. Nicht, dass der Paket-Typ gleich klingelt. Und wo wir gerade bei Paketen sind: Vielleicht sollte ich mir einfach einen neuen Jogginganzug bestellen?! Ob das reicht?!

Ich umarme Dich, meine Liebe!

 

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