Von der Schönheit der Einsamkeit

Meine liebe Katharina,

ich bin jetzt seit fünf Tagen  in Costa Rica und auch wenn der Jetlag mich immer noch ein wenig in seinen Klauen hat (hier ist es acht Stunden früher als bei Dir), genieße ich jede Sekunde.

Es mag daran liegen, dass ich schon von Haus aus (hier liebe Grüße an meine Eltern!) so gepolt wurde, dass ich Orte lieber mag, an denen es nicht vor Menschen wimmelt. Aber hier wurde es mir wieder einmal deutlicher denn je.

Unsere zweite Unterkunft, das Mango Valley, eine Lodge nahe des Vulkan Poas, war ganz nach meinem Geschmack. Deutlich gesagt liegt sie am Arsch der Welt, in völliger Stille. Wunderschön in einem Tal, Kolibris vor dem Balkon der Hütte, seltsame Eichhörnchen im Baum und so viel Grün, dass meine stadt-wunden Augen sofortige Heilung erfuhren.

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Mango Valley

Mango Valley

Dazu ein eiskaltes Imperial-Bier in der Hand. So geht Glück. Gut, dazu kam, dass die Lodge selbst für mich -als leichte Zwangsneurotikerin in Sachen Sauberkeit- liebevoll gepflegt ist. Es stimmt einfach alles. Einfach nur in die Natur schauen und bemerken, wie man runterfährt.

Um dieses neu gewonnene Glück von Mango Valley gleich noch mehr zu schätzen zu wissen, sind wir am nächsten Tag zum Vulkan Poas gefahren. Wild entschlossen ihn zu erwandern. Voll Natur und so. Tja. Und dann läuft man auf gerader, asphaltierter Strecke zwischen 100 Amerikanern vom Parkplatz zehn Minuten bis zum Krater (der aber tatsächlich traumhaft schön war). Und dann nochmal fünf Minuten bis zur Lagune (die auch

Poas

Poas

schön war, so isses nicht!). Hui. Da weiß man, dass das nicht so viel mit dem zu tun hat, was man sich vorstellte. Zumindest haben wir den Altersdurchschnitt der Besucher deutlich gesenkt.

Aber wir sind einfach unbeirrt weiter. Nächster Spot, anderthalb Stunden Buckelpiste entfernt vom Vulkan. Der Wasserfall Catarata Del Toro sollte es retten. Und was soll ich sagen?! Das hat er, der alte Wasserfall.

Denn meine Theorie wurde wieder bestätigt: Je beschwerlicher ein Ort zu erreichen ist, desto mehr wird man belohnt. Hunderte von glitschigen Stufen und Steinen bin ich, wenig elfengleich, hinunter gekrabbelt und teilweise gefallen. Insgesamt kamen uns fünf Menschen

Catarata Del Toro

Catarata Del Toro

entgegen, alle ähnlich keuchend wie wir.

Und dann war er da: Der Wasserfall, wieder in Mitten von Grün, der in einen tiefen Kessel stürzt. Tosend laut und wir ganz alleine am Fuße des Wasserfalls. Es gibt bestimmt größere, ein paar davon habe ich auch schon selbst gesehen. Es geht ja immer höher, schneller, größer. Aber die Tatsache, dass man hier endlich die Muse hatte, sich auf den nassen Boden zu setzen und anzukommen, hat es ausgemacht.

Ich will jetzt nicht esoterischer klingen, als ich zu Deiner Freude sowieso schon manchmal bin, aber es hatte etwas Magisches. Ohrenbetäubend fiel das Wasser neben mir herab, ich wurde immer durchweichter und nach oben öffnet sich der Kessel in den Regenwald. Da fühlt man sich auf einmal ganz klein, die Relationen ordnen sich wieder, all die Nichtigkeiten werden zu dem was sie sind: nichtig. Die Natur macht einfach weiter, egal, was uns so auf Trab hält. Und wenn man diese Schönheit sieht, wünscht man der Welt eigentlich, dass sie sich von ihrem vielleicht schlimmsten Parasiten befreit: Dem Mensch.

In diesem Sinne: Pura Vida!

 

1 Discussion on “Von der Schönheit der Einsamkeit”
  • Hi Meike!

    Habe gerade Deinen aktuellen Post gelesen…sehr schön geschrieben! Macht Lust auf mehr!
    Ich teile Deine Begeisterung für die Natur und die Stille fernab vom Alltagsstress und es wird Zeit, dass ich es Mai/Juni in die Tat umsetze!
    Ein wirklich schöner Blog! Und ich bin schon sehr gespannt auf weitere „Briefe“ aus der Ferne.

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