Grün auf die Fresse!

Liebe Katha,

wie Du weißt, bin ich keine Freundin von Outdoor-Funktions-Kleidung. Das liegt unter anderem daran, dass man in Ländern, die man auch abseits des Pauschaltourismus bereisen kann, immer ganz schreckliche Exemplare von über-ausgestatteten Reisenden trifft.

Gerade unsere deutschen Landsleute verraten sich meist schon durch von weitem hörbares Rascheln ihrer Microfaser-Cargo-Hose (mit abtrennbaren Bein, versteht sich.). Dazu ein atmungsaktives Funktions-Shirt, ein Hut mit Nackenspoiler und Trekking-Sandalen. Oder -wenn noch unter 45- ein Basball-Cap. Die Damen stecken dann neckisch ihren Pferdeschwanz hinten durch. Das mag manchmal rührend sein, ist aber vor allem immer eins: Hässlich. Und man trifft diese Outdoor-Funktions-Menschen nicht nur dort, wo es vielleicht angebracht wäre. Nein, sie sitzen auch in Venedig neben einem im Café oder schlendern in Warnemünde über die Strandpromenade. An beiden Orten ist wenig Wildnis erwartbar.

WanderschuheIch habe in den letzten Jahren einige Kompromisse gemacht diesbezüglich. Weil die Sachen sind ja nicht nur hässlich, sondern leider auch praktisch. Meine Wanderschuhe will ich nie wieder hergeben (I love Wanderschuhe!) und auch die im letzten Jahr zähneknirschend erworbene Outdoor-Jacke hat sich bei regnerischen Wanderungen im Hohen Venn schon bezahlt gemacht. Du siehst: Ich werde weich.

Und hier in Costa Rica bekommt Funktionskleidung nochmal eine ganz andere Bedeutung.

Wir sind gerade in Santa Elena. Ein ziemlich hässlicher Ort nahe des Nebelwaldes Monteverde, der viele Besucher anzieht. Dem Ökotourismus in Costa Rica sei Dank, dürfen aber in den Wald immer nur maximal 140 Personen gleichzeitig. War uns aber trotzdem zuviel („Die Schönheit der Einsamkeit“ und so… Du erinnerst Dich). Deswegen haben wir uns nach einiger Recherche dazu entschlossen, in das Reserva Bosque Nuboso zu fahren. Etwas kleiner, aber die gleiche Flora und Fauna und eben eines: Leer.

Da hier bei unserer Lodge (auch wirklich empfehlenswert, wenn man den Trubel in Santa Elena ausblenden will: Arco Iris Lodge) wie immer die Sonne brezelte, waren wir naiven Stadtkinder guter Dinge, dass es auch im Nebelwald (NEBEL-Wald) ähnlich temperiert wäre. Also rauf auf die Straße (die den Namen Straße mal wieder nicht verdiente. Schotterpiste trifft es eher) und ab zur ersten Regenwald Erfahrung. Wanderschuhe (I love Wanderschuhe!) dabei, Funktionsjacke zuhause. Je näher wir dem Wald kamen, desto wolkiger und nebliger wurde es. Ein feiner Sprühregen ging permanent nieder und es wurde etwas kühler. Am Reservat angekommen, plätscherte es schon gewaltig aus den riesigen Bäumen.

Als wir den Guide sahen, bei dem wir eintragen mussten, wann wir in den Wald starten und wen man benachrichtigen muss, falls wir nicht mehr rauskommen (da kommt Freude auf, bei einem Angsthasen wie mir!), mussten wir schon etwas lachen. Er guckte mitleidig auf mein Trägertop und ich neidisch auf seine Regen-Kluft. Aber was soll´s. Statt Funktionskleidung hatte ich meinen Kaschmir-Schal dabei, den ich der Umgebung angebracht als Poncho trug. Und dann nix wie rein in den Wald.

imageWas soll ich Dir sagen, Katha!? Es war IRRE! Wir waren zwar nicht ganz so perfekt angezogen, aber die Schuhe waren das Wichtigste, weil man auf dem schlammigen Untergrund sonst nicht weit gekommen wäre. Wir sind den längsten Trail gewandert und es war atemberaubend! Ich schmeiße sonst nicht gerade mit Superlativen um mich (Lüge..), aber hier in Costa Rica geht es nicht anders. Ich habe noch nie in meinem Leben so irres Grün gesehen. Alles troff vor Nässe, Vögel schrien, es raschelte überall,  baumdicke Lianen hingen von den Bäumen und der Geruch…. der Geruch war unvergesslich!

Falls Du einmal nach Costa Rica kommst, MUSST Du in den Nebelwald. Ich kann nicht sagen, ob Monteverde größer oder toller ist, aber ich war voll auf zufrieden. Wir trafen nur auf eine handvoll Menschen (Die Deutschen erkannte man NICHT am Kaschmir-Schal um die Schultern…) und ich würde fast sagen, dass es eines meiner schönsten Naturerlebnisse war.

Heute geht es weiter zum Vulkan Arenal. Auch dort nicht in die anscheinend übervölkerte Stadt La Fortuna, sondern auf die andere, leerere Seite. Ich bin gespannt und werde Dich teilhaben lassen.

Voll auf Grün: Ich.

Leave A Comment

Your email address will not be published.