Die Momente dazwischen.

Meine liebe Katha,

jetzt bist Du endlich wieder in Köln und nun bin ich es, die seit einer Woche in Südafrika weilt. Wieder bleibt uns nur WhatsApp, um zu erfahren, wie es der anderen geht. Einzig der Gedanke, dass Du bei mir zuhause gerade Dein erstes Kölner-Zwischenlager aufschlägst, tröstet mich ein wenig. Und bald, ganz bald, trinken wir zusammen ein Fass Wein, denken endlich das Chaos der Welt zu Ende und haben uns wieder.

Ein Fass werden wir auch brauchen, denn wie ich schon vermutet habe, ist Südafrika ohne Wein kaum zu bereisen. Ich bin also gut im Training, was das Fass angeht. Aber das liegt eventuell auch an mir, gehört der Wein doch zu meinen größten Schwächen… oder Leidenschaften, wie Du es sehen willst. Jeden Tag nehme ich mir hier vor, mal nichts zu trinken. Jeden Tag scheitere ich mit diesem Vorhaben meist schon am Mittag. Wie war das: Der Baum der Vorsätze trägt viele Blüten, aber wenig Früchte?! Story of my life… oder zumindest die Story meiner Detox-Versuche 😉

 

Die ersten Tage in Kapstadt war ich noch völlig zerbröselt vom grauen Köln-Winter. Meine Gedanken fahrig und ich irgendwie nie so richtig da, wo ich gerade war. Wenigstens gibt es keine Zeitverschiebung, der Jetlag bleibt also gnädigerweise aus. Und auch wenn Kapstadt erstmal ein ziemlicher Flash war, ging es doch erstaunlich schnell, sich in diese Stadt unsterblich zu verlieben… Dieses Licht! Alleine das Licht ist Grund genug, um wieder einmal völlig schockverliebt zu sein. Und überall, wirklich überall, bekommt man den besten Wein zu mehr als moderaten Preisen. Dann sitzt man da, isst und trinkt mit Blick auf den Tafelberg und ist ganz ergriffen von so viel Schönheit.

Ich will nicht verhehlen, dass Kapstadt auch sehr viele unschöne Seiten hat. Man sieht viel Armut und gerade bettelnde Kinder machen mich fertig. Diese Diskrepanz zwischen Arm und Reich wird dir in Kapstadt regelmäßig auf die Fresse gehauen: Selten habe ich so eine hohe Porsche-Dichte mit Polohemd-Bonzen darin gesehen, wie dort. Direkt neben Obdachlosigkeit und Armut. In dieser Welt läuft so vieles so falsch… Und dabei ist mir völlig bewusst, dass ich nur durch einen Zufall in eines der reichsten Länder der Welt geboren wurde und deswegen solche Reisen überhaupt unternehmen kann. Und dafür bin ich sehr, sehr dankbar.

In den ersten Tagen prasselten die Eindrücke nur so auf mich ein: Bunte Farben im Bo-Kaap-Viertel, Essen im Kloofhouse auf der Hipster-Kloof-Street, Sonnenuntergang auf dem Tafelberg, ein Konzert des Kapstadt Sinfonie-Orchesters im Kirstenbosch Botanical Garden unter freiem Himmel, Chirurgen-Schablonen-Gesichter in Camps Bay, die zauberhafte Abgeschiedenheit des Grenadine Hotels, die Pinguine vom Boulders Beach… und überall dieses wunderschöne Licht, diese Entspanntheit, die unglaubliche Freundlichkeit der Menschen. Und nein, diese Wahrnehmung ist nicht durch stetige Weißwein-Befüllung geschönt…

Trotzdem habe ich nachts unruhig geschlafen, wild geträumt und war fahrig. Erst jetzt, nach dem wir Kapstadt verlassen haben und in die Winelands weiter sind (Ja, du vermutest richtig: Auch hier wird das mit dem Wein-Konsum nicht besser..), schalte ich langsam wirklich ab. Deswegen bin ich ja auch immer ein Freund von längeren Reisen: Man braucht mindestens eine Woche, um alles hinter sich zu lassen. Oder zumindest so viel, dass man wirklich bereit ist, den neuen Input auf sich wirken zu lassen. Der nächste Stop Franschoeck war zwar malerisch schön, aber übervölkert von reichen, weißen Rentnern. Man fühlte sich wie auf einem Kreuzfahrt-Schiff der übelsten Sorte. Schnell weiter…

 

Doch dann kam Babylonstoren. Eine Citrus & Winefarm, jetzt auch Hotel und für Besucher zugänglich. Man kann dort zu Mittag essen und durch den phantastischen Garten schlendern. Meine liebe Freundin Anu hatte mir schon von diesem Seelen-Ort vor geschwärmt, aber ich war in all meiner Gereiztheit so gar nicht vorbereitet, auf so viel Schönheit. So friedlich, so golden, so liebevoll bis ins kleinste Detail gestaltet, so fruchtbar, so freundlich und so ruhig, dass ich tatsächlich fast zu Tränen gerührt war, ob dieser Schönheit. Diese detailverliebte Besessenheit mag irgendwie sinnlos sein, zumindest nicht praktisch oder zweckdienlich, aber sie heilt… Das Auge erfreut, die Seele entspannt. Vielleicht ist das auch nur die Designer-Tochter in mir, die so ausflippt, bei all dieser Stimmigkeit im goldenen Licht… aber es ist wirklich zum verrückt werden schön. Und es gab Esel! Neben großen Hunden, machen nur Esel und Schweine mich sofort zu einem glücklicheren Menschen. Es kann so einfach ein…

Jetzt sitze ich hier in der Einöde eine Station weiter und blicke auf Berge und Weinreben. Das Weingut Tanagra vermietet wunderschöne Apartments und verkauft dazu seine wundervollen Weine. Der Blanc de noir schmeckt auf der Terrasse in der Abendsonne ganz vorzüglich… Hier ist alles gut. Ich habe zum ersten Mal richtig geschlafen, hatte Ruhe zu lesen und meinen Gedanken nachzuhängen und bin jetzt endgültig angekommen.

 

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Ach Katha: Man nimmt sich überall hin mit, egal, wie weit man fliegt und egal, welche Eindrücke man in seinen Kopf pfropft. Das Leben bleibt unkontrollierbar, chaotisch und verrückt.  Das muss man einfach anerkennen und dann mit dem Flow gehen. Und zwischen den tosenden Gedanken diese Momente der Stille genießen. Wenn alles gerade mal schweigt, nichts zu tun ist, man nur bei sich ist und man das unfassbare Glück hat, dabei in die Sonne zu blinzeln…

Ein Hoch auf die Schönheit des Augenblicks und auf die Liebe. Egal, wo man sie findet.

Deine Meike

1 Discussion on “Die Momente dazwischen.”
  • Man nimmt sich überall mit hin, das hast du schön gesagt… manchmal wünscht man sich ja Urlaub von sich selbst. Da das aber nicht geht, bleibt nur, die Umgebung auf sich wirken zu lassen und den Moment zu genießen. Und dafür hast du dir – den Fotos nach zu urteilen – das perfekte Reiseziel ausgesucht!

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