Hängen geblieben.

Meine liebste Katha,

so, nun ist es aber wirklich absehbar, dass wir uns endlich wieder umarmen können. Meine Zeit neigt sich hier dem Ende zu, was ich sehr schade finde. Nur noch drei Tage und meine Südafrika-Blase platzt…

Ich bin hier im besten Verwahrlosungs-Modus angekommen, was auch an meiner letzten Station liegt: L´Agulhas. Direkt am südlichsten Punkt Afrikas, wo der Indische Ozean und der Atlantik zusammen treffen. Wieder eine Station, von der man gar nicht viel erhoffte und die einen dann so bezaubert, dass man gar nicht mehr weiß, wohin mit den Ahs und Ohs.

Und wieder ist es vor allem der Vibe, der einem von Anfang an sagt: Hier bist Du richtig. Bleib. Entspann dich. Öffne dein Herz.  L´Agulhas ist ein Mini-Örtchen, ein paar Häuser, ein kleiner Supermarkt, ein paar Cafés und ein Pub. Aber alle sind so entspannt. Keine Polohemd-Sportwagen-Aufschneider mehr, wie in Knysna. Kein 80er-Jahre-Style, wie in Oudtshoorn. Nein, ehrliches Leben. Freundliche Leute. Unfassbare Natur. Und das Meer! Nur das Meer schafft es, mich in so kurzer Zeit in meine Schranken zu weisen und mich auf Gardemaß zurecht zu stutzen: „Wer bist du?! Du bist klein und unbedeutend. Mach dir keinen Stress. Meine Wellen kommen und gehen. Ebbe und Flut. Halt die Fresse, du Wurm.“ Endlich Ruhe in der Birne.

Wie immer im Leben sind es die kleinen, die ungeplanten Dinge, die dein Herz knacken und sich als Erinnerung in deine Seele fräsen.

Im Vorfeld hörte man von allen Seiten, dass man in Südafrika zum Beispiel unbedingt die „Big Five“ sehen muss, eine Safari, Game Drive. Haben wir gemacht, relativ teuer, auch ganz schick. Super Zimmer, alles schön. Aber ganz im Ernst: Das ist so ein Retorten-Entertainment… Ja, du siehst Tiere. Ja, das ist ganz cool. Aber muss ich mit Edith, Rolf, Sabrina und drei anderen Leuten in nem Jeep sitzen und dann die Tiere nach Plan in dem Resort abfahren?! Knips-Knips, weiter geht es. Die Tiere stumpf wie Bolle. Touristen abfrühstücken. Seid begeistert. Fragt nicht nach. Fresse halten, Fotos machen. Abends machen sich dann vor allem Sabrina und Edith ganz schick zum Essen, um Rolf & Co in ihrer Rasierwasser-Fahne zum Buffet zu begleiten. Puh. Ich weiß nicht.

Irgendwie ist das Glück viel größer, wenn ich beim Wandern in Wilderness im Natur-Reservat eine kleine Schlange entdecke auf dem Weg. Und dann nach ein paar Stunden völlig verschwitzt an einem Wasserfall ankomme, an dessen Fuß ich schwimmen kann. Das Wasser ist so tief braun, dass es total surreal aussieht. Und die Felsen sind ganz warm und weich und wenn du darauf liegst, spürst du die Energie… Egal, wie kritisch du auch sein willst. Die Energie lässt sich nicht weg bitchen. Einfach da und einfach sein. So schön.

Oder an der Küste entlang laufen, am südlichsten Punkt Afrikas. Dort ist eine Steintafel angebracht und  immer stehen ein paar Leute davor, die vom Parkplatz die hundert Meter bis dorthin geschafft haben, um ihr obligatorisches Foto zu knipsen. Das sind dann auch die, die danach bei TripAdvisor schreiben, dass man sich das sparen kann. Gar nix zu sehen. Voll lahm. Nur diese Tafel am Meer. Hallo?! Beweg deinen Arsch doch einfach mal weiter… Man konnte stundenlang (ich hab mich leider auch gut verbrannt bei der Tour…) an der Küste entlang wandern. Ohne einen weiteren Menschen zu treffen. Nur Möwen, ein altes Schiffs-Wrack, Hai-Eier am Ufer, riesige Muscheln, Raubvögel, der Wind, plötzlich irrwitzig bunte Blüten in der kargen Flora, Schildkröten, die deinen Weg passieren… Zeit rennt dahin, kein Gedanke an Morgen. Oder Gestern. Das ist für mich tausendfach schöner. Entdecken, suchen, riechen, die Augen aufmachen.

Heute sind wir schon in Bettys Bay. Das Wetter ist mies. Und die Unterkunft riecht nach Katzen-Pipi. Und es gibt Teppich. Für mich als Zwangsneurotikerin nicht so gut allgemein. Auch wenn die Wirtin schon beim Einchecken mittags um 13 Uhr amtlich betrunken war. Das imponierte mir. Dennoch: Gerade WEIL zuhause gerade irgendwie nur Stress und Ärger warten, ist die verbleibende Zeit zu kostbar. Kurz nachgedacht und wie schon so oft in anderen Ländern entschieden: Flucht. Scheiß auf den Plan. Scheiß auf die Buchung. Kurz ins Netz und was gesucht, was mehr knallt. Und schöner ist. Wir müssen sowieso nach Capetown zurück, warum also nicht etwas früher?!

Morgen geht es also weiter…

Was ich aber sagen kann: Ich bin verliebt. Bis jetzt nur in Südafrika. Und man hört ja, das sei nur die Afrika-Einstiegsdroge… Ich bin voll drauf. Ich sag es dir.

Aber erstmal in Köln: Wir!

Wir kommen zusammen an, wo auch immer. Ich freue mich auf dich und bin froh, dass so tolle, kluge, liebevolle, schöne und wahnsinnige Menschen, wie meine Freunde, auf mich warten.

Love. Love. Love.

Deine Meike

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