In meiner Welt.

Liebe Katha,

die Hitze brezelt mir langsam das Hirn weg und doch habe ich keine Lust mich darüber zu beklagen. Erstens ist ein bisschen weniger Hirnleistung oft ganz entspannend und zweitens liebe ich Sommer einfach so sehr. Sich treiben lassen durch die flirrende Luft, gar nicht mehr wissen, wie es sich anfühlt, richtige Schuhe oder gar Socken zu tragen, die Nächte zum Tag zu machen und im Park die ersten Sonnenstrahlen begrüßen. Zum Schlafen ist es eh zu warm…

Es hat etwas Unwirkliches, dieser Sommer, diese immer weiter steigenden Temperaturen. Als ob man sich durch einen Roman bewegt und Fiktion nicht mehr von Realität zu trennen ist. Alles verschwimmt in der Hitze der Tage, im Außen und im Innen… Und wieder fällt mir auf, dass diese Realität ein unfassbar dehnbarer Begriff ist.

Komischer Weise wird alles seltsam leicht, wenn man sich das bewusst macht. Das, was ich sehe, sieht der Mensch, der neben mir sitzt, völlig anders. Seine Wahrnehmung ist geprägt von tausend Puzzleteilen, von tausend Geschichten, die seinen Kopf und seinen Bauch das sehen lassen, was er für sein System benötigt. Jeder bewegt sich also in seiner eigenen Fiktion, in seiner eigenen Story, die er so voranspinnt und die mal mehr und mal weniger matcht mit dem Umfeld, in das man sich begeben hat. Jeder baut sich seinen eigenen Roman. Oder seinen eigenen Alptraum. Wie soll man darüber urteilen, wenn es doch völlig außerhalb meines Verständnisses liegt, was in der anderen Welt wirklich gefühlt, gewünscht oder gefordert wird? Eben. Geht nicht.  Wer bin ich, zu glauben, dass ich weiß, was richtig oder falsch ist?

Selbst wenn man diese rar gesäten, magischen Momente hat, in denen man denkt, dass sich hier gerade zwei Seelen berühren, ist auch das nur Teil der eigenen Wünsche, der eigenen Hoffnungen, Erwartungen und Projektionen. Hört sich im ersten Moment nach ’ner einsamen Nummer an. Und wenn wir ehrlich sind, ist es das auch vielleicht, dieses Leben. Jeder für sich. Jeder in seiner Welt, jeder in seiner Blase. Bis zum Schluss…

Aber im Grunde  geht es dabei noch um etwas anderes: Man hat die Verantwortung, dass man für sich ganz allein, für den eigenen Kopf und das eigenen Herz, zusieht, dass die eigene Welt nicht immer enger wird. Dass man offen und ohne Vorurteile bereit ist, zuzuhören und sich von den anderen Sichtweisen berichten lässt. Das gilt im Großen, wie im Kleinen. Dass man darauf achtet, dass man glücklich ist und frei atmen kann. Und wenn das nicht mehr der Fall ist, dass man dann nicht zu lange wartet, sondern überprüft, was in der eigenen Welt nicht mehr stimmt. Oder ob man sich zu viele Gedanken darüber macht, wie die Stories in den anderen Köpfen funktionieren. Oder ob man sich anpasst, obwohl man im Grunde doch nicht mal den Hauch einer Ahnung hat, ob das, was man glaubt, was in diesem anderen Kopf passiert, auch wirklich so stattfindet. Wenn man einmal begriffen hat, was das für eine lächerliche Lotterie ist, kann man es auch einfach bleiben lassen und darauf scheißen. Das birgt vielleicht eine gewisse Art der Einsamkeit. Aber auch eine riesengroße Freiheit.

Ich freu mich so sehr auf unseren Trip nach London und darauf, dass wir uns ganz viel darüber berichten, was in unseren Welten so passiert.

Love.

Meike

 

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