Welcome to the Paradigm

Liebe Meike, 

ich bin wieder aufgetaucht – aufgetaucht aus einer völligen Parallelwelt.

Ich bin an die Ostküste geflogen um in einem Eco Village auszuhelfen. Der Deal: Für Unterkunft und Essen maximal 5 Stunden am Tag Arbeit, für 5 Tage die Woche. Bevor ich dort ankam, wusste ich nicht viel über das, was mich dort erwarten würde. Eine Aussteiger Community, die sich hauptsächlich von ihrem eigenen, angebauten Essen ernährt, nur vegan, die Wasserversorgung besteht aus gefiltertem Regenwasser und alles basiert auf dem Gemeinschaftssinn. Ich hatte diese „Unterkunft“ bewusst ausgewählt. Wollte ich doch mal erleben, wie so eine Art Aussteigerleben aussehen kann.  

Es hieß, dass sich das Village in der Nähe von Byron Bay befindet. Ein Ort, der für seine Hippies und Surferstrände bekannt ist. Dort angekommen, wartete ich an einer Bushaltestelle darauf, dass mich jemand aus dem Village abholt. Viele Backpacker um mich herum, kleine Surferläden, Trucks mit Hunden und Boards beladen und wo ich nur hinschaute, wurde organic food und vegan angeboten. Ich machte mir Sorgen, dass ich meinen Abholer verfehlen würde. Wusste ich doch nicht, wer das sein würde. Doch da war sie – Pam. Ich wusste sofort, die ist es: Dreadlooks, braun gebrannt, Tatoos und Piercings und eine Gelassenheit in ihrem ganzen Auftreten. Begleitet von einer ähnlichen Erscheinung, nur mit Henna rotem Haar und Federschmuck.  

Die Zwei sprachen ununterbrochen. Man reiste bereits seit mehreren Jahren. Studierte den Minimalismus in Japan, liebte Indien und überlegte neue Tattoomotive. Ob ich schon von dem Festival gehört hätte, dass in den nächsten Tagen im Eco Village statt finden würde? Nun ja, ich wusste, dass etwas in der Art statt finden sollte, aber schnell wurde mir klar, dass wir hier von einer größeren Dimension sprachen, als ich mir vorgestellt hatte. Ca. 300 Leute wurden erwartet. Die Stimmung sei mit Energie geladen. Es herrschen gerade gute Vibes im Village. „Katharina, feel the flow! Feel the energy and love. We have to take care for each other!“ Diese Art von Begriffen flogen mir nur so um die Ohren auf unserer 45 minütigen Autofahrt. Ich bekam Panik. Wo war ich hier nur gelandet!? Wir fuhren immer weiter in den Regenwald hinein. Mein Handy signalisierte mir kein Netzempfang und öffentlicher Verkehr war weit und breit nicht zu sehen. Shit. Kein Entkommen in mitten dieser crazy people!

Das Gelände – „The Paradigm“ – war riesig. Mehrere Hütten, ein Hauptgebäude und drum herum VW Busse und Camper. Man teilte mir eine Hütte zu, die von außen traumhaft aussah.

Das Gelände

Das Gelände

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Meine Hütte

 

Beim Eintreten traf mich jedoch erst mal der Schlag. Ein Raum, zwei Hochbetten, überall Klamotten auf dem Boden und auf meinem Bett. Ein weiteres Zimmer, ebenfalls gekrönt von Chaos und ein Badezimmer, das eine Grundreinigung benötigt hätte.

Die Damen des Chaos waren drei entzückende deutsche Freundinnen von Anfang zwanzig, mit denen ich die kommenden Tage viel Spaß haben sollte. Das Nachbarzimmer beherbergte eine – ich weiß gar nicht wie ich sie beschreiben soll – etwas durchgeknallte vierzig jährige Amerikanerin.

Am kommenden Tag startete das Festival. Es gab ein volles Programm für die folgenden vier Tage.

 

Auszug Festival-Programm

Auszug Festival-Programm

 

Ich wurde dem Eingangstor des Geländes zu geteilt. Meine Aufgabe bestand darin, die Tickets der Leute zu kontrollieren. Hatten sie keines, dann mussten sie mir gut begründen können, warum sie eine Bereicherung für das Festival darstellten. Es bestand dann in meinem Ermessen, ob ich sie durchlasse. Ich kann dir gar nicht sagen, was da alles für schrille Leute in noch viel verrückteren Campern auftauchten. Schon in den ersten Stunden wusste ich, ich würde diesen Job lieben. Woran ich mich jedoch gewöhnen musste – man liebt es Umarmungen zu verteilen. Frage mich nicht, wie vielen Leuten ich da am Tor in den Armen lag. Ob ich wollte, oder nicht, gefragt wurde ich nicht. Und ich kann dir sagen, bei manchen hätte ich gut verzichten können…

Überhaupt habe ich viel „bewusste“ Körperbehaarung gesehen. Viele Haare und viel nackte Haut. Ob „Oben ohne“, oder ganz nackt. Alles war dabei! Überall wurden Workshops praktiziert, man malte, tanzte, und Vibes der praktizierten, freien Liebe lagen in der Luft. Spielende Kinder, Hunde, Jonglage, Bodypainting, Meditations-Oms und Sexgeräusche mitten im Regenwald.

 

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Ich kam aus dem Staunen gar nicht mehr raus. War ich mal fasziniert, dann schockiert, müde, beeindruckt, entsetzt, begeistert. Ich habe mich in der Meditation geübt und wieder begonnen zu malen. Die Sex Workshops habe ich dann aber mal ausgelassen…

Es ist schwierig, diese Tage in Worte zu fassen. Ich bin der Paradigm-Community sehr dankbar, dass sie mich an ihrer Gemeinschaft haben teilhaben lassen. Kann ich doch nicht alle Ansätze teilen, so habe ich jedoch Einiges für mich mitnehmen können: Mehr Gelassenheit, nicht jede gesetzte Norm einfach hinnehmen, Dinge hinterfragen, ein bewussteres Gemeinschaftsgefühl, mehr Zeit für Kreativität. Und was dich ganz besonders freuen wird: Seit meinem Aufenthalts dort ernähre auch ich mich vegetarisch.

Hatte ich doch vor zwei Wochen zu bleiben, sind es doch nur vier Tage geworden. Ich war so voll von den ganzen Eindrücken, völlig übermüdet und sehnte mich nach meinen eigenen vier Wänden. Einen Rückzugsort um das Erlebte erst mal zu verarbeiten.

Aber dazu in den kommenden Tagen mehr.

Viel love, peace und big hugs an dich.

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