Warmer Regen

Liebste Katha,

ich gucke in den Garten unserer kleinen Pool-Villa, sehe, wie der warme Nachmittags-Regen in den blauen Pool fällt, dahinter das satte Grün. Das Bintang-Bier ist eiskalt und jeder Tropfen, der außen an der Flasche abperlt und auf mein Bein tropft, lässt mich zusammenzucken. Kalt auf warm, herrlich.

Seit zehn Tagen sind wir jetzt unterwegs. Singapur, dann Bali. Erst der Trubel in Seminyak, jetzt entspannteres Hipster-Tum in Canggun. Aber langsam komme ich wirklich an. Die Sonne und die Wärme haben mich nach und nach eingelullt, der Alltag in Köln fällt mir von den Schultern. Jeden Morgen weckt uns die Sonne, am Nachmittag kommt dann ein wenig Regen, aber das finde ich fast mit am schönsten. Dann klappen wir unsere Laptops auf, arbeiten, schreiben, unterhalten uns, hören Musik und sitzen im offenen Wohnzimmer. Erste Rituale auf unserer Reise. Die Luft riecht hier immer ein wenig nach Räucherstäbchen, Curry, Meer und Sonne. In ein paar Tagen geht es weiter Richtung Westen, noch mehr Ruhe, hoffentlich noch mehr runterkommen, endlich wieder den eigenen Flow spüren, entschleunigen…

Wie schön es ist, dass wir das zusammen erleben können. Wie dankbar ich bin, dass wir solch ein großes Glück haben. Die Möglichkeit, überhaupt zu reisen, fremde Länder zu sehen, der Kälte und dem heimischen Winter-Grau zu entfliehen, aber vor allem: Unsere Freundschaft damit zu feiern. Silvester saßen wir auf einer Dachterrasse auf Bali und haben mit einer Flasche Champagner das letzte Jahr abgeschlossen. Haben geweint und viel gelacht, denn all das beinhaltete das vergangene Jahr: Schmerz, Freude, Abschiede, neue Bekanntschaften, Wiedersehen, Liebe, Freundschaft und Entwicklung. Mein Vorsatz für dieses Jahr ist deswegen vor allem eines: Dankbarkeit. Den Ball flach halten. Glücklich sein, mit dem, was man hat. Denn das ist unglaublich viel. Mehr bei sich bleiben, weniger zerfleddern, irgendwie…

Man ist so streng mit sich und der eigenen Entwicklung. Aber wenn man sich mal die Zeit nimmt und zurückblickt, auf das, was man bisher geschafft hat, wenn man sieht, von wo man gestartet ist und wo man jetzt steht, dann bemerkt man, wie weit man gekommen ist. Vor kurzem hat jemand zu mir gesagt, sie hätte das Gefühl, dass man mit dem Alter immer mehr abstumpft. Erst habe ich kurz gezögert, denn ich erinnere mich, dass ich das selbst vor einigen Jahren dachte. Aber ich glaube, es besteht ein eklatanter Unterschied zwischen der Tatsache, gewissen Dinge mit mehr Milde und größerem Abstand zu begegnen und dem Gefühl, nichts mehr an sich heran zu lassen. Je älter ich werde, desto mehr weiß ich darum, dass es kein Richtig und kein Falsch gibt. Es gibt so viele Wahrheiten, so viele Sichtweisen, so viele Standpunkte. Wer bin ich, darüber zu urteilen, was davon stimmt? Ein Mindset kann und soll sich ändern. Und dieses Wissen gibt einem die Ruhe, die einen vieles besser verstehen lässt. Jedes Scheitern, jeder selbst erlebte Abgrund, jede manchmal schmerzhafte Transformation zeigt mir, dass wenig im Leben eine unumstößliche Größe ist. Und das macht einen auf tröstliche Art und Weise Jahr um Jahr freier. Sich selbst nicht mehr so wichtig nehmen. Und andere manchmal auch nicht.

Wichtig ist, dass wir uns hier gerade Erinnerungen schaffen, die uns niemand mehr nehmen kann.

Danke dafür.

Deine Meike

 

 

 

 

 

 

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