Ohne Fremdschläfer.

Liebe Meike,

der Alltag hat mich wieder. Frühes Aufstehen, Termine, und am Freitag fragt man sich, wo nur die Woche geblieben ist. Verrückt wie schnell das ging.

Aber jeden Morgen mit dem Öffnen meiner Augen, freue ich mich. Wenn mein Blick über mein übersichtliches Einzimmer-Appartement fällt – über mein geliebtes Sideboard meines Opas, meine Lieblingsbücher gestapelt neben meinem Bett, und meine Kaffeemaschine – was für ein Wiedersehen!

Wie sehr mir Privatsphäre gefehlt hat, Privatsphäre umgeben von Gewohntem, das wird mir erst jetzt bewusst. Ein Rückzugsort, mit all den Dingen, die ich liebe, die mich ausmachen.

Wie viele Nächte habe ich in den letzten Monaten in Hostels verbracht. Reine Routine war das am Ende. Anmelden an der Rezeption. Eine Kopie deines Reisepasses und eine Unterschrift. Mit Bettwäsche unterm Arm, die meistens aus zwei ausgewaschenen, löchrigen Laken und eines Kissenbezugs bestand, auf dem Weg zum Zimmer. Beim Entlanglaufen des Ganges ein Hoffen – möge das Zimmer nicht zu nah an Aufenthaltsräumen oder Sanitäranlagen liegen. Dann wird es laut. Nun gut, laut ist es eigentlich immer in Hostels, aber es gibt durchaus Ausprägungsgrade.

Angekommen an der Zimmertür, die Neugierde, ob wohl schon andere Bewohner im Mehrbettzimmer anzutreffen sind. Bitte lass oben auf dem Hochbett noch ein Bett frei sein! Unten ist der A….-Platz. Musst du unten schlafen, dann wirst du immer wach, sobald Bewegung im Zimmer statt findet. Hat derjenige über dir einen unruhigen Schlaf, dann erhältst du ein quietschendes Bettfedernkonzert. Oben auf dem Bett hast du wenigstens ein minimales Gefühl von Privatsphäre.

Dann der Licht-, Steckdosen- und USB-Anschluss-Check. Eigentlich an jedem Bett vorhanden, aber meistens kaputt. Der erfahrene Hostelbewohner hat deswegen immer eine Powerbank, mehrere Stromadapter – und bei manchen konnte ich tatsächlich auch die Mitnahme eines Mehrfachsteckers beobachten – dabei.

Nun gut, ist die Bettauswahl erfolgt, und das Bett erst mal bezogen – ja, einen genauen Blick auf die Matratze sollte man dabei nicht riskieren, erfolgt das „Kennenlernen“ der Mitbewohner.

Da gibt es die Anfang zwanzig Jährigen. Der Begriff Ordnung ist nicht bekannt. Alle Klamotten und sonstige Utensilien sind komplett über das Bett und auch auf dem Boden verstreut. Was wirklich eklig ist bei den fiesen Teppichböden. Ich möchte nicht wissen, was für Bewohner diese Teppiche beherbergen. Nun gut, am Anfang war ich noch ergiebig darauf erpicht, den Boden nicht barfuß zu berühren, aber irgendwann gibt man auch das auf. Dein Ekelfaktor fängt definitiv mit der Zeit an in Hostels zu sinken.

Die Tussi – erkennbar an mindestens einem riesigen Trolley, der nicht in den Spind passt, und immer den Durchgang im Zimmer versperrt. Vom Glätteisen bis diverse Hygieneartikel ist alles dabei. Bei diesen Damen ist besonders darauf zu achten, dass sie nicht vor dir eine der wenigen Duschkabinen im Sammelbad ergattern. Das kann dauern. Und das Waschbecken ist am Ende voll mit Makeup beschmiert.

Die Dauerbewohner. Diese Herrschaften – vorzugsweise Asiaten – nisten sich gerne ein. Da wird die Wäscheleine von der einen Seite des Zimmers zur anderen gespannt, und bei Eintritt ins Zimmer begrüßt dich ein besonders hübsches, ausgewaschenes Exemplar an Unterhose baumelnd in deinem Gesicht. Getoppt wird das wohnliche Ambiente durch einen dauerhaft anhaltenden Geruch von Instantsuppen.

Die Minimalisten. Oder auch die viel Reisenden. Kleiner Rucksack, unauffällig, meistens wortkarg und jeder Handgriff sitzt. Und manchmal –  muss ich jetzt mal an dieser Stelle zugeben – war ich schon beeindruckt von so viel Lässigkeit.

Die Jung-Gebliebenen. Meistens um die Fünfzig. Bewusst versucht cool – was sich meistens dadurch auszeichnet, das man gerne nackt durchs Zimmer läuft. Ein Bild, was sich besonders bei mir einbrannte. Nackt sitzend auf dem Boden – ja, der Teppich! – in aller Ruhe YouTube-Videos guckend. Ahhh! Gruselig!

Und dann, die mir unheimlichste Spezie. Die Fremdschläfer. Das sind die, die nachts irgendwann ins Zimmer geschlichen kommen, und früh morgens schon wieder verschwunden sind. Gut, hatte ich irgendwo nur einen Zwischenstopp, dann zählte auch ich schon mal dazu. Aber wie komisch ist das bitte?! War die Nacht, bzw. der Schlaf, zuvor immer etwas total Intimes für mich. Und nun möchte ich gar nicht wissen, mit wie vielen Fremdschläfern ich die letzten Monate wohl ein paar Stunden Schlaf geteilt habe. Ein wirklich komisches Gefühl. Neben fremden Menschen schlafen.

Und nun sitze ich hier. In einer Wohnung, die eigentlich nicht mehr als eine Studentenbude ist. Und trotzdem bin ich glücklich. Mein Reich. Kein schlechter Instantkaffee mehr, ein eigener Kühlschrank ohne Ansammlung von Schimmelpilzen, und gut riechende Bettwäsche. Geradezu ein Königreich. Was soll ich noch sagen – ich bin „zu Hause“.

Deine Katha

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