Zum Wohl, die Pfalz!
Liebe Katharina,
ich kann kaum glauben, dass wir uns bei unserem Kaffee in Ehrenfeld nun wirklich das letzte Mal vor Deiner großen Reise umarmen konnten. Wenn wir uns das nächste Mal sehen, holst Du mich vom Flughafen in San Francisco ab. Das ist immer noch total surreal. Aber wem sage ich das?! Du bist jetzt ein halbes Jahr unterwegs, Dein Film ist diese Woche noch krasser…
Ich war im Kleinen auch schon wieder on Tour. In meiner Heimat, in Speyer. Wandern im Pfälzer Wald, auf der Kalmit.
Ob ich mir langsam Sorgen machen muss, weil ich nur noch in Wanderschuhen durch Wälder stapfe?! Vor ein paar Jahren ist man noch jedes Wochenende im gleißenden Morgenlicht aus dem Club gefallen und hat sich geärgert, dass man die Sonnenbrille vergessen hat. Damals Mischkonsum, heute Mischwald, oder so ähnlich… Naja. Der Lauf der Zeit wahrscheinlich.
Immer wenn ich in meiner alten Heimat bin, ist das Wort „schön“ wohl das, was ich am meisten gebrauche. Und das ist es dort eben auch: WUNDERSCHÖN!
Der Speyerer Dom, der in seiner Klarheit und seiner Ruhe fast meditativ über die Stadt wacht. Der Rhein, der in Speyer viel ruhiger und idyllischer fließt, als hier in Köln. Die Speyrer Altstadt mit den malerischen Gässchen. Die wunderschöne Weinstraße. Der Pfälzer Wald mit all seinen verwunschenen Ecken, dem typischen Sandstein überall und natürlich: DEM SCHOPPEN! Beste Weißwein-Schorle, nur echt aus dem Halbliter-Dubbeglas! In der Mischung Dreiviertel Wein und ein Viertel Wasser! Alles andere ist Beschiss!
Im Pfälzerwald geht der Pfälzer nämlich nicht nur wandern, er trinkt und isst auch sehr gerne dort auf den unzähligen Hütten. Wie eigentlich überall. Ich habe schon lange den Verdacht, dass der Pfälzer seine Freizeitaktivitäten nur danach auswählt, dass er leicht beschwipst von Wein und wohlig satt durch die Gegend eiern kann. Sehr sympathisch!
Ich bin zwar in Speyer geboren und aufgewachsen, aber irgendwie fehlt mir zum waschechten Pfälzer dann doch vielleicht die genetische Verbindung. Meine Eltern sind erst kurz vor meiner Geburt nach Speyer gezogen und so geht mir zum Beispiel der Dialekt auch ab. Ich kann zwar Pfälzisch, aber der wahre Pfälzer enttarnt mich als Dialekt-Nachahmer. Irgendwie bleibt man auf dem Land halt „Zugezogen“, wenn der Pfälzer-Stammbaum nicht hundert Jahre zurückreicht 😉
Und ich muss gestehen, dass ich bis zu meinem Abitur mit der Pfalz und dem Kleinstadt-Leben auch manchmal gehadert habe. Mag daran liegen, dass die Pubertät einfach keinen Spaß macht, egal wo. Man zieht sich beschissen an, man ist launisch wie die Hölle und man weiß nicht, wo oben und unten ist und wo die Reise auch nur ansatzweise hingeht. Ich danke dem Universum oder sonst wem dafür, dass ich in einer Zeit pubertieren durfte, in der es keine Foto-Handys oder Soziale Netzwerke gab. Sonst wären all die Verirrungen heute noch irgendwo verewigt. Wie gruselig… Kindheit auf dem Land ist toll, aber Jugend wird dann ein bisschen schwieriger. Fast alle kennen sich und haben ein festes Bild von einander, ob das nun noch aktuell ist ist, oder nicht. Das zu verändern oder zu revidieren ist nicht leicht. Jeder, der in einer Kleinstadt aufgewachsen ist, wird ungefähr wissen, was ich meine.
Es gab auch sehr viel Schönes: Nächtliches schwimmen im Baggersee, Weinfeste, tanzen zu Nirvana und Pearl Jam im „Durchbruch“, in der Sonne auf der Domwiese liegen, Freunde und Familie, Brezelfest, erste Liebe, beste Freundin…
Trotzdem habe ich die Tage bis zum Abitur gezählt und wollte dann erstmal nix wie raus. Mindestens 100 km weit weg und mindestens eine Millionen Einwohner. Eigentlich bescheidene Wünsche und Köln passte erstmal in die Rasterfahndung. Und tat gut. Neue Leute, neue Gedanken, neuer Horizont, neue Fehler und neues Glück.
Aber erstaunlicher Weise, wenn sich die erste Euphorie in der Fremde gelegt hat, beginnt man dann, seine Heimat zu vermissen. Den Spargel aus Dudenhofen (der BESTE der Welt!!), die Fröhlichkeit der Pfälzer, die schöne Maximilianstraße, schwimmen gehen, das gute Wetter… HACH! So SCHÖN da!
Und jetzt, in meinem fort schreitenden Alter, denke ich manchmal wieder darüber nach, wie es wäre, irgendwann später wieder in die Pfalz zu ziehen. Ganz nah zum Wein und dem ganzen Rest. Wer weiß?! Vielleicht nicht in den nächsten Jahren, aber dann…?!
Mal sehen, was das Leben so bringt und wo es uns hinführt. Bald erstmal zu Dir!
Ich umarme Dich!
So eine schöne Liebeserklärung an deine Heimat! Allerdings hoffe ich, dass Du deine Rückkehrpläne in die Pfalz noch mal überdenkst… Deine Meinung zu einer Pubertät ohne soziale Medien teile ich. Ich bin auch sehr froh, dass meine damalige Gefühlslage nur in handschriftlichen Tagebüchern verewigt ist.
… und selbst die Tagebücher traue ich mich nicht nochmal zu lesen… 😉